Deutschland und Frankreich bekräftigen ihre Überzeugung, dass das Inkrafttreten des Verfassungsvertrags ein wichtiger Meilenstein ist, um das Gewicht Europas auf internationaler Ebene hervorzuheben und seine Handlungsfähigkeit im Dienste des Friedens und der Sicherheit weltweit zu stärken.
Unsere Länder begrüßen es, dass die Schicksalsgemeinschaft der Mitgliedstaaten erstmals in der Geschichte der Europäischen Union in einer Verfassung ihren Ausdruck findet. Der Verfassungsvertrag ist daher ein wichtiger Schritt bei der Umsetzung des politischen Projekts Europa, so wie es von unseren Ländern seit Anbeginn mitgetragen wird. Die Vorschläge aufgreifend, die unsere Länder gemeinsam im Konvent über die Zukunft Europas unterbreitet haben, bekräftigt die Verfassung insbesondere das Prinzip der Solidarität bei Gefahren und Bedrohungen jeglicher Art. Sie verpflichtet die Union und ihre Mitgliedstaaten zur Unterstützung mit allen - auch militärischen - Mitteln, falls ein Mitgliedstaat von einer Natur- oder von Menschen verursachten Katastrophe oder einem Terroranschlag heimgesucht wird. Im Falle eines bewaffneten Angriffs auf das Staatsgebiet eines Mitgliedstaats sind die anderen Mitgliedstaaten nunmehr auch zur Hilfeleistung und Unterstützung mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln verpflichtet. Für Deutschland und Frankreich sind diese Verpflichtungen selbstverständlich mit denen vereinbar, die im Rahmen des Atlantischen Bündnisses, der Grundlage unserer kollektiven Verteidigung, eingegangenen wurden.
Die Verfassung wird auch als Instrument zur Stärkung der Wirksamkeit europäischen Handelns auf internationaler Ebene dienen dank
Deutschland und Frankreich leisten einen Beitrag zu den Gefechtsverbänden zur Krisenreaktion und begrüßen es, dass zahlreiche Mitgliedstaaten beschlossen haben, sich daran zu beteiligen. Die im Rahmen dieses Projekts durch die Aufstellung multinationaler oder nationaler kurzfristig verlegbarer Streitkräfte erreichbare schnellere Reaktionsfähigkeit der Union wird die Fähigkeit der Union erhöhen, sich an autonomen militärischen Operationen insbesondere zur Unterstützung der Vereinten Nationen zu beteiligen. Die deutsch-französische Brigade wird im Jahre 2008 den Kern eines Gefechtsverbands bilden. Frankreich und Deutschland tragen zur Anfangseinsatzfähigkeit der Gefechtsverbände bei, indem sie 2006 gemeinsame Truppenteile stellen, die von ihnen im Wechsel kommandiert werden. Beide Länder haben darüber hinaus beschlossen, der Union weitere Gefechtsverbände zur Verfügung zu stellen. Die Konzepte für die Gefechtsverbände zur Krisenreaktion und die NATO Response Force (NRF) sind miteinander vereinbar.
Unsere beiden Länder erfüllt es mit Stolz, in den letzten beiden Jahren zu den ersten militärischen Operationen der Europäischen Union im Dienste des Friedens beigetragen zu haben. In der Demokratischen Republik Kongo haben unsere Länder an der ersten autonomen Operation der Europäischen Union (Artemis) teilgenommen. In der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien (FYROM) und danach in Bosnien und Herzegowina hat die Europäische Union die NATO abgelöst. Sie führt auch heute noch in diesem Land eine sehr wichtige Operation durch mit 6.700 Soldaten (Operation Althea) unter Rückgriff auf NATO-Mittel und -Fähigkeiten. Diese Operation wird durch die Poli-zeimission der Europäischen Union (EUPM) ergänzt. In der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien wird die Polizeioperation Proxima weitergeführt. In Georgien hat die Europäische Union eine Mission begonnen, um den Aufbau eines Rechtsstaats zu unterstützen. In der Demokratischen Republik Kongo und im Irak bereitet sie Ausbildungsmissionen für Staatsbedienstete, insbesondere von Polizisten und Richtern, vor.
Die bilaterale bzw. multilaterale Zusammenarbeit bei Operationen stellt einen der größten Erfolge in den letzten sechs Monaten dar. Der Einsatz des Eurokorps und der deutsch-französischen Brigade in Afghanistan im zweiten Halbjahr 2004 im Rahmen der NATO-Operation ISAF hat die große Fähigkeit dieser multinationalen europäischen Streitkräfte verdeutlicht, in einem schwierigen Umfeld ihre Mission zu erfüllen. Dieses Engagement war gekennzeichnet durch eine erfolgreiche Unterstützung des Verlaufs der afghanischen Präsidentenwahl.
Unsere beiden Länder setzen weiterhin ihre Anstrengungen im Kosovo fort. Die NATO-Operation KFOR, die unter dem Befehl eines französischen Generals steht, der 2004 einem deutschen General nachfolgte, wird im Jahr 2005, in dem die Verhandlungen über den künftigen Status des Kosovo beginnen sollen, eine entscheidende Rolle spielen.
Deutschland und Frankreich beabsichtigen, ihr bilaterale militärische Zusammenarbeit auszubauen, um die Weiterentwicklung des Europas der Verteidigung zu unterstützen. Der Austausch von Offizieranwärtern und Offizieren trägt zum Aufbau einer gemeinsamen Verteidigungskultur bei. Die gegenseitige Eingliederung von deutschen und französischen Offizieranwärtern in die militärische und akademische Ausbildung, aber auch die Teilnahme von zwei deutschen Piloten an der französisch-belgischen Ausbildung von Jetpiloten, tragen zu dieser Entwicklung bei.
Zugleich sind unsere beiden Länder bestrebt, die Modernisierung der multinationalen Streitkräfte, an denen sie beteiligt sind, zu beschleunigen. Die deutsch-französische Brigade wird die "vertiefte Integration" umsetzen und zu einem modernen Großverband mit sehr hoher Einsatzbereitschaft ausgebaut, der in der Lage sein wird, die anspruchsvollsten Einsätze für die Europäische Union und die NATO durchzuführen. Mit diesem Ziel haben das deutsche und das französische Heer die Leitlinien für die kommenden Jahre in einer "Gemeinsamen Vision für die Zukunft der deutsch-französischen Brigade" festgelegt. Neben ihrem Beitrag zum Projekt der Gefechtsverbände zur Krisenreaktion wird sich die Brigade gemeinsam mit dem Eurokorps im Jahr 2006 an der NATO Response Force (NRF) beteiligen.
Die Zusammenführung unserer militärischen Mittel wird zunehmend in die Beschaffung von gemeinsamen Ausrüstungen und die Zusammenlegung unserer Fähigkeiten münden. Unsere Länder begrüßen in dieser Hinsicht die Einführung des Kampfhubschraubers TIGER. In den Ausbildungsstätten von Luc (Frankreich) und Fassberg (Deutschland) werden bereits Fluglehrer und Mechaniker gemeinsam ausgebildet. Die Ausbildung der Piloten wird im September beginnen.
Im gleichen Geiste sind Deutschland und Frankreich übereingekommen, gemeinsam mit ihren interessierten Partnern alle Möglichkeiten einer europäischen Zusammenarbeit bei der im Jahr 2008 geplanten Einführung des militärischen Großraumtransportflugzeugs A 400M auszuloten. Es geht dabei sowohl um eine europäische Ausbildung als auch um europäische Logistik und die gemeinsame Nutzung der Transportflugzeuge. In diesem Rahmen verfolgen Deutschland und Frankreich weiter das Ziel, zeitgerecht eine gemeinsame Lufttransportstaffel aufzustellen. Unsere beiden Länder sind überein gekommen, ihre Überlegungen zur Gesamtheit dieser Fragen innerhalb der Gremien des deutsch-französischen Verteidigungs- und Sicherheitsrats zu intensivieren.
Mit dem Ziel, die Fähigkeiten der Europäischen Union zur Bedrohungsanalyse und zur Führung militärischer Operationen zu verbessern, beabsichtigen unsere Länder auch, ihre Zusammenarbeit zur gemeinsamen Bewältigung der strategischen Herausforderung der Nutzung des Weltraums fortzusetzen. Aus diesem Grund arbeiten wir am Verbund unserer nationalen raumgestützten Aufklärungsfähigkeiten, dem französischen System HELIOS II (optisch und Infrarot) und dem deutschen System SAR-Lupe (Radar). Der französische Satellit Helios II wurde erfolgreich am 18. Dezember 2004 in die Umlaufbahn gebracht. Der Start des ersten deutschen Satelliten SAR-Lupe ist für Anfang Februar 2006 vorgesehen. Die gemeinsame Nutzung des Verbundsystems soll Ende 2008 beginnen.