Deutsch-Französischer Menschenrechtspreis: Preisträgerinnen und Preisträger 2020 (10. Dezember 2020)

Von der gynäkologischen Versorgung der Opfer des IS bis zu „Cartoons for Peace“: Außenminister Heiko Maas und sein französischer Kollege Jean-Yves Le Drian zeichnen heute (10.12.2020) 13 Menschen aus, die sich rund um den Globus auf besondere Weise für die Menschenrechte eingesetzt haben.

Seit 2016 verleihen Deutschland und Frankreich gemeinsam am Tag der Menschenrechte den deutsch-französischen Preis für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Ob Menschenrechtsverteidigerin, Journalist oder Anwältin: Der Preis erkennt die Arbeit all jener an, die Tag für Tag unermüdlich für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit eintreten.

Die diesjährigen Preisträgerinnen und Preisträger sind:

Die Afghanin Sara Seerat, geboren 1993, ist Journalistin und engagiert sich für den Zugang von Mädchen zu Bildung und Beschäftigungsmöglichkeiten. 2016 wurde Seerat zur Direktorin der Vereinigung weiblicher Journalistinnen der Provinz Kapisa und Regionalvertreterin der Afghan Independent Human Rights Commission ernannt. In zahlreichen TV- und Radiointerviews prangert sie Gewalt gegen Frauen an. Im März 2019 forderte sie gemeinsam mit Frauen aus allen Provinzen des Landes unter anderem die Wahrung der Frauenrechte und Achtung der demokratischen Verfassung in den Verhandlungen mit den Taliban. Trotz ihres nationalen Engagements bleibt sie ihrer Heimatprovinz Kapisa verbunden. So funktionierte sie das von ihr geleitete „Sozial- und Kulturinstitut für Frauen“ in ein Nähatelier für COVID-19-Masken um und verteilte diese kostenlos.

Azza Soliman aus Ägypten setzt sich als Anwältin unermüdlich für Frauen- und Menschenrechte ein. 1995 gründete sie das „Center for Egyptian Women’s Legal Assistance“ (CEWLA), um Opfern von Missbrauch und häuslicher Gewalt juristische Unterstützung anzubieten. Soliman setzt sich für eine moderne Auslegung islamischen Rechts ein, das tatsächliche Lebensrealitäten und Menschenrechtsstandards berücksichtigt.

Sérgio Piçarra, geboren 1969 in Luanda, ist wohl der bekannteste angolanische Comiczeichner und –autor. Seine Arbeit wird durch die jüngere Geschichte Angolas bestimmt, das seit 1975 unabhängig ist und erst seit 2002 in Frieden lebt. Als Pionier der satirischen Comiczeichnung in Angola publiziert Piçarra seine Beiträge in unabhängigen Wochenzeitungen. Da er auch in den sozialen Netzwerken erscheint, ist sein Werk weiten Teilen der Bevölkerung zugänglich und zu einem festen Bezugspunkt in der Diskussion politischer Themen wie der Reformpolitik der Regierung in Angola geworden. Piçarra arbeitet mit zahlreichen Organisationen der Bürgergesellschaft zusammen. Er hat als erster angolanischer Cartoonist 2019 an der Initiative “Cartooning for Peace in Africa” teilgenommen.

Francinara Soares Martins - Nara Baré - vom Volk der Baré am oberen Rio Negro (Amazonas/Brasilien) leitet als erste Frau die größte indigene Organisation Brasiliens mit 75 Mitgliedsorganisationen aus den neun Bundesstaaten des brasilianischen Amazonasgebiets (COIAB). COIAB wurde 1989 gegründet und tritt für die Rechte der indigenen Völker Brasiliens ein. Dabei vertritt COIAB etwa 160 indigene Völker, ca. 60% der indigenen Bevölkerung Brasiliens. Nara Baré ist eine der einflussreichsten Führungspersönlichkeiten der indigenen Bevölkerung, sowohl bei der politischen Vertretung von Indigenen wie bei der Stärkung indigener Frauen.

Li Yuhan, geb. 1957, ist eine chinesische Menschenrechtsanwältin, die sich seit vielen Jahren für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit in China einsetzt. Li Yuhan hat sich nach der Verhaftungswelle gegen chinesische Menschenrechtsanwälte für die Rechte der Familienangehörigen der Verhafteten eingesetzt. Im Oktober 2017 wurde sie selbst festgenommen. Seitdem befindet sie sich in Shenyang, Provinz Liaoning, in Haft. Ein Gerichtsverfahren hat nach derzeit vorliegenden Informationen bisher nicht stattgefunden.

Nagham Nawzat Hasan ist eine jesidische Gynäkologin aus Bashiqa. Sie engagiert sich seit 2014 für weibliche Opfer des sogenannten Islamischen Staates im Irak, die entführt, verkauft, vergewaltigt und gefoltert wurden. Diesen stellt sie psychosoziale Unterstützung und medizinische Versorgung zur Verfügung, auch in den Binnenvertriebenenlagern. Überdies widmet sich die Arbeit der von ihr gegründeten NGO “Hopemakers Organization for Women” der wirtschaftlichen Wiedereingliederung dieser Frauen und Mädchen. Dr. Nagham Nawzat Hasan studierte Medizin in Mosul und ist derzeit Chefarztin im örtlichen Krankenhaus in Sheikhan, einer Stadt im Nordosten Mosuls.

Zoya Rouhana ist die Direktorin der feministischen Organisation „KAFA (= ’Es reicht!’) Gewalt & Ausbeutung.“ Sie ist eine der Pionierinnen in Libanon und in der Region, die sich mit dem Problem der Gewalt gegen Frauen befasst. 1995 organisierte sie die erste arabische „öffentliche Anhörung“ von Gewaltopfern, die zur Schaffung des Arabischen Frauengerichtshofs (AWC) führte. 2005 gründete Zoya Rouhana die Frauenrechtsbewegung KAFA. KAFA hat den ersten Gesetzesentwurf zum Schutz von Frauen vor Gewalt in der Familie vorbereitet, der 2014 vom libanesischen Parlament verabschiedet wurde. Darüber hinaus trieb KAFA die nationale Agenda in den Bereichen Arbeitsmigration von Hausangestellten, Frauenhandel und sexueller Kindesmissbrauch voran und führt derzeit den Kampf für die Einführung eines einheitlichen Personenstandsgesetzes weiter.

Nayyab Ali engagiert sich seit zehn Jahren politisch und sozial für die Rechte der Transgender-Gemeinde in Pakistan. Sie gehört zu den ersten Transgenderpersonen, die 2018 für die Parlamentswahlen kandidierten. Frau Ali ist zudem nationale Koordinatorin des All Pakistan Transgender Election Network, dem ersten nationalen Verband für die politische Emanzipation von Transgender-Personen und war maßgeblich an der Ausarbeitung des Gesetzentwurfes zum Schutz von Transgenderrechten beteiligt. Als unabhängige Beraterin hat sie mit den Vereinten Nationen und Regierungsinstitutionen zusammengearbeitet. Sie gründete die erste Schule für Transgender in Okara (Punjab). Als Überlebende einer Säureattacke ist sie auch Vizevorsitzende der pakistanischen NGO Ending Violence Against Women / Girls Alliance. Sie wurde mit dem irischen GALAS LGBT+ Activist Award und dem Titel Transgender HERO Asia in Thailand ausgezeichnet.

Issam Younis setzt sich in den Palästinensischen Gebieten und insbesondere im Gaza-Streifen seit 30 Jahren für Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ein. Seit 2000 leitet er das “Al Mezan Center for Human Rights” in Gaza, seit 2017 ist er zudem Teil der unabhängigen palästinensischen Menschenrechtskommission.

Der Historiker Yury Dmitriev befindet sich seit 2016 in Untersuchungshaft. Zuvor hatte er seit Ende der achtziger Jahre als Leiter des karelischen Zweigs der Menschenrechtsorganisation „Memorial“ Massenerschießungen zur Zeit Stalins in Sandarmoch erforscht und publik gemacht. Die NRO „Memorial“ setzt sich in Russland für Menschenrechte, die Erinnerung an die Opfer der Repressionen der Stalin-Zeit und die Aufarbeitung historischer Menschenrechtsverletzungen ein. Dmitriev hat in fast 30 Jahren eine Liste von 40.000 Namen von während des großen Terrors exekutierter oder deportierter Personen angefertigt und historische Massengräber in Sandarmoch, Krasnyi Bor und auf den Solovki-Inseln entdeckt. Sein außergewöhnlicher Einsatz für die Aufarbeitung historischer Verbrechen in der damaligen Sowjetunion und für die Pflege des Gedenkens an den stalinistischen Terror trotz teils massiver gegenläufiger Tendenzen, auch in der russischen Geschichtspolitik, verdienen besondere Anerkennung.

Mathilda Twomey ist die erste weibliche Richterin in der Geschichte der Seychellen. Sie ist auch die erste Frau, die das Amt des Obersten Richters bekleidet, das im System der Seychellen den administrativen Funktionen des Justizministers entspricht. Als Mitglied der Verfassungskommission trug sie zwischen 1992 und 1993 zum Entwurf der neuen nationalen Verfassung bei.

Die slowakische Ombudsfrau (Bürgerbeauftragte) Mária Patakyová hat sich in den letzten vier Jahren unerschrocken für die Menschen- und Freiheitsrechte ihrer Landsleute eingesetzt. Sie hat durch ihre Beharrlichkeit bei der Anprangerung von Missständen im Justizwesen und bei der Behandlung von gefährdeten Gruppen (Kinder, Ältere, Roma, Inhaftierte, Behinderte, etc.) dazu beigetragen, dass nun verbesserte Bedingungen für die Durchsetzung rechtsstaatlicher Prinzipien bestehen sowie konsequentere Schritte zum besseren Schutz gefährdeter Gruppen unternommen werden. In jüngster Zeit hat Frau Patakyová sich nach Ausbruch der Corona-Krise für die nichtdiskriminierende Behandlung der Roma, für uneingeschränkte Ausübung des Rechts auf legale Abtreibung und für eine humane Durchführung der staatlichen Quarantänemaßnahmen eingesetzt.

Die südsudanesische Aktivistin Merekaje Lorna Nanjia setzt sich als Initiatorin und Generalsekretärin der zivilgesellschaftlichen Organisation SSuDEMOP seit vielen Jahren für mehr gesellschaftliche Teilhabe und eine Stärkung der Zivilgesellschaft in Südsudan ein. Ihre Themen umfassen Regierungsführung, Demokratie, Gender Mainstreaming und Konflikteindämmung. Außerdem fokussiert sich die Arbeit von SSuDEMOP auch auf soziale, politische und wirtschaftliche Rechte. Merekaje Lorna Nanjia ist auch Mitglied der Kommission zur Überprüfung der südsudanesischen Verfassung.

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