Im Rahmen des Treffens zwischen Ministerpräsidenten und französischen Regionalratspräsidenten mit dem Bundeskanzler und dem französischen Premierminister Raffarin am 27./28. Oktober in Poitiers wurde von den Vertretern der Länder und Regionen folgendes Kommuniqué verabschiedet:
Länder und Regionen gemeinsam für eine immer engere Bindung zwischen Deutschland und Frankreich und den Völkern Europas
Ein wirklicher Zugang zur Realität des Partnerlandes und seiner Kultur ist nur über die Sprache möglich. In einem Europa der Vielfalt muss die Mehrsprachigkeit gefördert werden, und wir streben an, dass die Jugendlichen beider Länder grundsätzlich zwei europäische Fremdsprachen beherrschen. Wir werden eine deutliche Erhöhung der Zahl der Schulpartnerschaften aktiv unterstützen.
Die Rolle der Partnersprache muss aktiv ausgebaut werden. Wir wollen den Trend eines abnehmenden Interesses an der Partnersprache umkehren und den Anteil derjenigen, die die Partnersprache erlernen, substanziell erhöhen. Wir halten es in diesem Zusammenhang für realistisch, innerhalb von 10 Jahren die Erhöhung um 50% anzustreben.
Sprache und Kultur des Nachbarlandes nimmt man bei vollständiger Integration in dessen Lebenswelt am besten in sich auf. Deshalb müssen solche Austauschmaßnahmen, Aufenthalte und deutsch-französische Kooperationsprojekte in besonderer Weise gefördert werden, die mit einer vollen Einbindung in das Alltagsleben und das gesellschaftliche Umfeld des Partnerlandes verbunden sind. Die Absolventen dieser Aufenthalte sind die eigentlichen Träger der im Alltagsleben spürbaren deutsch-französischen Kooperation. Sie sind überzeugte und wirksame Akteure der weiteren Annäherung unserer beiden Länder. Wir sprechen dem Deutsch-Französischen Jugendwerk wegen der Qualität und Breite seiner Arbeit unsere Anerkennung aus. Es wird bei unseren weiteren Anstrengungen eine zentrale Rolle spielen.
Unsere beiden Volkswirtschaften haben sich in den letzten Jahrzehnten durch Partnerschaften und intensive handelspolitische Beziehungen außerordentlich eng verbunden. Viele Ressourcen bleiben jedoch ungenutzt, weil Sprachkenntnisse fehlen oder die Kultur des Partnerlandes weiterhin fremd ist. Um unser Potenzial besser auszuschöpfen, die Wettbewerbsfähigkeit und das Angebot von Arbeitsplätzen zu verbessern, müssen sich unsere Arbeitsmärkte jetzt stärker integrieren. Dies setzt voraus, dass die Fähigkeit zur Integration in die gesellschaftliche Realität des Partnerlandes stärker entwickelt wird. Die Fähigkeit, mit dem Leben und Arbeiten in beiden Kulturen gut zurecht zu kommen, ist eine entscheidende Voraussetzung für mehr wirtschaftliche Integration und engere Beziehungen zwischen unseren beiden Gesellschaften. Wir wollen deshalb die Mobilität insbesondere von Ausbildern und Jugendlichen, die an der Schwelle zum Erwerbsleben stehen, fördern. Dazu müssen Mobilitätshindernisse beseitigt werden. Materielle und verwaltungstechnische Schwierigkeiten müssen überwunden werden. Zuviele Faktoren stehen den Möglichkeiten zum Austausch noch im Wege.
Von besonderer Bedeutung für unsere beiden Volkswirtschaften ist dabei die Vernetzung von Bildung, Aus- und Weiterbildung sowie Forschung und Lehre mit dem Wirtschaftsleben und der Zivilgesellschaft. Gerade in der Zusammenarbeit auf regionaler Ebene können die Grenzen zwischen diesen Bereichen – auch fächer- und branchenübergreifend - leichter überwunden werden. Dies stärkt die Wettbewerbsfähigkeit und den sozialen Zusammenhalt und trägt dazu bei, das Ziel zu erreichen, die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Für den Erfolg unserer Initiativen ist das Engagement der Wirtschaft insbesondere bei der beruflichen Aus- und Weiterbildung von herausragender Bedeutung.
b) Ausbildungsgänge für Lehrer, deren Abschlüsse unmittelbar im Nachbarland genutzt werden können, werden weiterentwickelt. Solche Projekte wurden bereits im Rahmen der Kooperation zwischen Baden-Württemberg und der Region Elsass, zwischen Rheinland-Pfalz und der Region Burgund, zwischen dem Saarland und der Region Lothringen sowie Sachsen und der Region Rhône-Alpes eingerichtet. Die Deutsch-Französische Hochschule könnte hierbei eine Rolle als Informations- und Orientierungszentrum für angehende Lehrerinnen und Lehrer spielen, die durch diesen Lehrgang eine binationale Kompetenz erwerben oder weiterentwickeln wollen.
Die bestehenden Einschränkungen der beruflichen Freizügigkeit für sprachlich qualifizierte Lehrer, Erzieher und Ausbilder, die ihren Abschluss im Partnerland gemacht haben, werden beseitigt. Zeitlich begrenzter Lehreraustausch wird ebenfalls gefördert.
Die Werbung für den Erwerb der Partnersprache wird auch mit Blick auf deren Nutzen im Berufsleben intensiviert werden. Wir werden dazu insbesondere den 22. Januar als Deutsch-Französischen Tag an allen Bildungseinrichtungen nutzen. Länder und Regionen werden sich eng abstimmen, um die auf regionaler Ebene für den Unterricht zuständigen Behörden zu unterstützen.
Im audiovisuellen Bereich haben die engen Beziehungen zwischen den Fernsehanstalten ARD und France 3 ermöglicht, seit einigen Jahren Koproduktionen, gemeinsame Sendungen und Austauschprogramme zu realisieren, insbesondere zwischen dem Saarland und der Region Lothringen, Baden-Württemberg und der Region Elsass. Dieses Modell soll unterstützt und über den Bereich grenzüberschreitender Beziehungen hinaus ausgebaut werden.
Eine bessere Kenntnis der beruflichen Praxis beider Länder wird auch über eine gemeinsame Ausbildung deutscher und französischer Journalisten erreicht. Das von ARD und France Télévisions/France 3 durchgeführte Programm ReportEur ist in dieser Hinsicht ein interessantes und innovatives Experiment. Auf diesen Grundlagen sollte es möglich sein, zwischen den Dritten Programmen der ARD und den Regionalsendern von France 3 gemeinsam gestaltete Sendungen – thematischer oder allgemeiner Natur – zu entwickeln.
Wir begrüßen die Aktivitäten der Länder und Regionen im Bereich der Filmförderung und ermutigen zu Initiativen der Zusammenarbeit in diesem Bereich.
f) Wir ermutigen die von ARTE unternommenen Bemühungen, die Programme noch mehr für die unterschiedlichen deutschen und französischen regionalen Gegebenheiten zu öffnen und dadurch dem Publikum näher zu kommen. Diese Ziele gehen mit der Verstärkung der Beziehungen von ARTE zu den Beitrittsländern einher. Die Verbesserung der Ausstrahlung und der Steigerung der Zuschauerzahl von ARTE bleibt ebenfalls ein gemeinsames Ziel.
g) Wir unterstützen das bereits beschlossene Projekt eines gemeinsamen deutsch-französischen Geschichtsbuchs, das dazu bestimmt ist, künftig in beiden Ländern als reguläres Geschichtsbuch genutzt zu werden. Dieses Schulbuch lädt kommende Schülergenerationen dazu ein, sich mit dem anderen Land vertraut zu machen. Es wird in der jeweiligen Landessprache verwendet. Länder und Regionen tragen zu seinem breiten Einsatz bei.
Mobilität der Jugendlichen und der Lehrer
h) Das bereits umfangreiche Angebot an Stipendien, Praktika und Arbeitsplätzen bei Unternehmen, Freiwilligenprogrammen und sonstigen Institutionen im Partnerland muss noch erweitert und besser bekannt gemacht werden. In Zusammenarbeit mit Handels-, Industrie- und Handwerkskammern und Berufsverbänden werden Informationskampagnen über Stellenangebote durchgeführt. Wir werden die Mobilitätshindernisse im Praktikumsbereich beseitigen, die auf nach wie vor unterschiedlichen Gegebenheiten bei der Sozialversicherung beruhen.
i) Die heute auf verschiedenen Internet-Seiten zu findenden Informationen werden wir über das künftige zentrale deutsch-französische Internetportal, das dem Benutzer in Form von Links einen themen- und regionenbezogenen Zugang bietet, gebündelt präsentieren. Dabei werden wir darauf achten, dass die Informationen über den Aufenthalt in anderen europäischen Regionen ebenfalls abrufbar sind.
j) "Jugend wirbt Jugend": Am 22. Januar, dem Deutsch-Französischen Tag, werden wir Schüler, Studenten und Praktikanten, die bereits an einem Austausch zwischen unseren Ländern teilgenommen haben, in die Bildungseinrichtungen einladen, um über ihre Erfahrungen zu berichten.
k) Im Hochschulbereich spielt die Deutsch-Französische Hochschule als Verbund von weiterführenden Bildungseinrichtungen beider Staaten mit ihrem breiten Angebot integrierter Studiengänge in beiden Ländern eine zentrale Rolle in der Hochschulkooperation. Von ihr wird erwartet, eine verstärkte Rolle im Bereich von Doktorandenprogrammen zu übernehmen und ihre gemeinsamen Forschungsprojekte weiterzuentwickeln. Wir werden sie daher weiter konsequent fördern und insbesondere das Angebot integrierter Studiengänge mit doppeltem bzw. einheitlichem deutsch-französischem Abschluss durch die Deutsch-Französische Hochschule erweitern.
l) In der Forschung ist es unser Ziel, jungen Nachwuchswissenschaftlern, Doktoranden und Postdoktoranden die Teilhabe an der europäischen Spitzenforschung zu ermöglichen und zu einem intensiven Austausch innerhalb der Forschungsgemeinschaft beizutragen. Wir werden die Einrichtung und Weiterentwicklung von deutsch-französischen Doktorandenprogrammen fördern, indem insbesondere vorbereitende Veranstaltungen für die Begegnung junger Forscher unterstützt werden.
Vernetzung von Kompetenzen
m) Wir wollen Kompetenz- bzw. Innovationsnetze zu einem zentralen Instrument der Zusammenarbeit zwischen Ländern und Regionen machen. Sie nutzen Partnerschaften zwischen Firmen, Universitäten, Forschungs- und Ausbildungseinrichtungen, die im gleichem Bereich tätig sind, um neues Innovationspotential zu entwickeln.
Wir wollen die Erfahrung mit grenzüberschreitenden Innovationsprojekten wie dem "Bio-Valley Oberrhein " oder dem Geothermie-Projekt am Oberrheingraben nutzen, die unter dem Aspekt der Innovation wie der nachhaltigen Entwicklung von Interesse ist. Wir schlagen vor, Kooperationsverbindungen zwischen bestehenden Kompetenznetzen einzurichten. Dazu bieten die bereits in Nord- und Süddeutschland funktionierenden Kompetenznetze Luft- und Raumfahrt verstärkte Kontakte mit den entsprechenden Strukturen der Regionen Aquitaine und Midi-Pyrénées an. Wir unterstützen den Aufbau von Kooperationen zwischen weiteren Innovationsclustern z.B. in den Bereichen Informations- und Biotechnologie, erneuerbare Energien, Nanotechnologie, Automobile, Logistik und Wissen. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit dem Konzept der "Lernenden Regionen" werden wir uns für die Förderung neuer Partnerschaften im Rahmen europäischer Programme wie Interreg einsetzen.
n) Bei der Suche nach neuen Kontakten und neuen Partnern, die bereit sind, sich an diesen neuen Projekten zu beteiligen, werden wir zusätzliche Unterstützung leisten. Die dafür zuständigen Institutionen – Verein deutscher Ingenieure (VDI) und Délégation à l’aménagement du territoire et à l’action régionale (DATAR) – sind beauftragt, Instrumente für die Entwicklung solcher Partnerschaften bereitzustellen, insbesondere eine gemeinsame virtuelle Kontaktbörse. Diese wird auch für weitere europäische Regionen offen sein.
o) Wir möchten die Vernetzung von Kompetenzen beim Ausbau von Naturparks zu Regionen mit Modellcharakter für eine nachhaltige Entwicklung intensivieren.
Parallel zur Umsetzung der in dieser Erklärung aufgeführten Entscheidungen und Verpflichtungen werden die Arbeitsgruppen der Länder und Regionen weiterhin die Verwirklichung ihrer Leuchtturmprojekte verfolgen. Sie sind in den Dokumentationen der Arbeitsgruppen dargestellt.
Das Monitoring und die Umsetzung der Projekte werden unter die Verantwortung der Pilotländer und -regionen gestellt. Länder und Regionen ziehen regelmäßig Bilanz über die Fortschritte der im Rahmen der dezentralisierten Zusammenarbeit verwirklichten Vorhaben. Sie stehen in engem Kontakt mit den beiden Beauftragten für die deutsch-französische Zusammenarbeit und dem Bevollmächtigten der Bundesrepublik Deutschland für kulturelle Angelegenheiten. Diese berichten an den deutsch-französischen Ministerrat.
Quelle: www.auswaertiges-amt.de